Der Mann, von dem alle Schwiegermütter träumen, weil sie für Lausbubencharme halten, was Wowereit sich selbst verordnet hat: Ein chinesisches Grinsen als Mittel der Politik, um den Anschein zu erwecken, der im Dreck festsitzende Karren der Berliner Politik und Schulden ließe sich da schon irgendwie wieder herausziehen. Und genau darauf fußt auch der Erfolg seiner Politik: So zu tun, als ob. Man könnte auch sagen: Zur virtuellen Welt, in die sich immer mehr Menschen verabschieden, macht Wowereit die entsprechende virtuelle Politik. Er betreibt die Simulation von Politik. Das Schöne aber ist, daß er es nicht weiß.
Archiv für den Monat: Januar 2008
Groteske Landschaften. Fotografische Streifzüge durchs städtische Hinterland
Jess Jochimsen ist nicht nur einer der wenigen Lichtblicke im Kabarettunwesen, er sieht auch noch unverschämt gut aus und er ist unverschämt jung. Er ist der Sonnyboy im Tingelgewerbe. Immer ein Lächeln auf den Lippen scheint ihm alles zuzufliegen. Die Leichtigkeit des Seins ist die Aura, die ihn umgibt. Mit 22 bereits enterte er die Bühnen und kaute den Leuten ein Ohr ab, und zwar professionell, souverän und mit Verve. Als Moderator der WDR-Literatursendung »Die Vorleser« verschafft er weniger berühmten Kollegen ein gutes Forum. Bekannt wurde er mit dem Erzählband »Das Dosenmilch-Trauma«, den Bekenntnissen eines 68er-Kindes, als das er aufgewachsen ist und zu leiden hatte. Er weiß Bescheid, er hat alles durchgemacht, und deshalb war sein Kritik auch so treffend und genau. Ohne sie als Opfer auszuwalzen, gewann er ihr vor allem die komischen Seiten ab. Und nachdem man gedacht hatte, die Stärken dieses Mannes zu kennen, reüssiert er plötzlich auch noch als Fotograf und legt mit dem Band »Danebenleben« einen »Fotografischen Streifzug durchs städtische Hinterland« vor, der einfach sensationell genannt zu werden verdient.
Jess Jochimsen hat sie alle gesehen, die öden Orte und öden Flecken der Republik, aber er hat sie nicht einfach dokumentiert, was nicht minder öde gewesen wäre, sondern er hat es geschafft, den traurigen und melancholischen Charme dieser Plätze einzufangen, an dem jede leichtfertig geäußerte Abscheu scheitert, denn jedes Bild bringt einen Gag, einen Witz, eine Wortspiel, etwas Überraschendes zum Vorschein. Das gebührenpflichtige „Parkhaus Vaterland“, das 2m hohe „Parkhaus Liebe“, das CDU-Wahlplakat mit dem Schild „Keine Wendemöglichkeit“ darüber, der „Damen u. Herren Salon Scham“, „Astrid‘s Hairliche Zeiten“, das Schild mit der geheimnisvollen Aufschrift „Männer mit Zukunft gestalten Metall“, das in einem Fenster hängt hinter gerafften Gardinen, das WC für „Lehrerinnen + Behinderte“ und die „Tier- und Trophäen-Präparation WALTER RUPFF“.
Aber diese merkwürdigen Botschaften aus dem Paralleluniversum wirken nur, wenn man sie in der trostlosen Umgebung sieht. Das Restaurant Bahnhofsblick verspricht „Wir verwöhnen Sie mit Herz“ und man weiß sofort, das ist gelogen, denn der abblätternde Putz, die kleinteiligen Kacheln, die Entlüftungsschlitze, die Jalousien und Milchglasfenster sprechen eine andere Sprache, ebenso die Front eines Einfamilienhauses aus Fertigbauteilen mit gekippten Plastikstühlen am Plastiktisch vor der mit Verbundsteinen gepflasterten Auffahrt, wo ein großes Schild auf der Fassade „Zauberhafte Dessous“ ankündigt und doch nur das Elend einer absurden Existenzgründung offenbart.
Kessler, Katja
Wäre sie mal Zahnärztin geblieben, der Welt der Literatur wäre ein weiteres überflüssiges Buch erspart geblieben. Wenn ihre Befähigung als Zahnärztin genauso lausig war wie die als Schriftstellerin, gäbe es aber immerhin ein paar Leute, die von ihrem Berufswechsel profitiert hätten. Katja Kessler wechselte bald zu Bild, wo sie als sogenannte Gesellschaftsreporterin arbeitete, vorausgesetzt man will das als Arbeit bezeichnen, wenn man sich auf Partys herumtreibt und dabei Prominente umschwirrt wie Fliegen den Misthaufen. Katja Kessler verbreitete also in der Fachzeitschrift für verklemmte Herrenwitze über die täglichen Seite-1-Möpse Klatsch über die Blöden im Lande, d.h. sie berichtete darüber, wer der BH verrutscht war, bei wem man am tiefsten blicken konnte und bei wem das Maurerdekolleté zu sehen war. Wichtige Informationen, auf die die Welt gewartet hatte, unverzichtbar für Leute, deren Interesse sich darin erschöpft, wissen zu wollen, welche Zunge gerade in welchem Hals steckt. Irgendwann steckte ihre im Hals von Kai Diekmann. So jedenfalls hätte Katja Kessler die Sache auf dem Punkt gebracht, wenn sie nicht zufällig selber darin involviert gewesen wäre. Aber vermutlich spielte das gar keine Rolle. Seither ist sie die Gattin des Bild-Chefredakteurs.