Diesmal wußte ich es. Ganz sicher. Ich schwöre es. Und deshalb war ich auch nicht nach Wolfsburg gefahren, denn diese Pleite wollte ich mir nicht antun, vor allem nicht bei einem VW-Verein. Mit einem 4:0 machten die Dortmunder den guten Eindruck, den sie zuletzt hinterlassen hatten, wieder zunichte, und zwar gründlich. Von Champagner-Fußball war da die Rede gewesen, als sie mit dem höchsten Sieg seit werweißwieviel Jahren die Arminia schwindlig spielten und nebenher auch noch Ernst Middendorp abschossen, den Mann, der einmal zu einem unbotmäßigen Journalisten gesagt hatte: »Knien Sie nieder, Sie Bratwurst!« Was aber seine einzige lustige Idee gewesen sein soll, denn sonst ist er ein humorloser und obendrein arroganter Trainer, und insofern kann die Arminia den Dortmundern sogar dankbar sein, denn ohne ihn gewannen die Arminen gegen zuletzt bei ihrem kurzen Ausflug in die Campions-League von Barca vorgeführte und deshalb besonders motivierte Stuttgarter, die sich frustriert gleich zwei rote Karten abholten. Aber in Dortmund nahm man die mediale Meinung, die nach dem Spiel gegen Bielefeld verbreitet wurde, für bare Münze und wähnte sich nach zwei gewonnenen Spielen gleich wieder auf dem direkten Durchmarsch in die europäische Königsklasse. Zwar fehlten Kehl und Kringe, aber versagt hatten die Dortmunder als Kollektiv, wie Doll resümierte. Ein Kollektiv, das man gerade erst wieder entdeckt zu haben glaubte, nur weil man ein wenig miteinander geredet hatte. Die Laune war gut, die Leistung dann jedoch unterirdisch. Und niemand kann sich einen Reim darauf machen, wie die schwankende Leistung zu erklären ist. Vielleicht liegt es tatsächlich daran, daß den Dortmundern eine Hackordnung fehlt, ein Fidel Castro, der dem Rest sagt, wo es lang geht. Vielleicht würde ihnen ein wenig sozialistische Diktatur nicht schaden, statt weiterhin auf Doll mit – naja – menschlichem Antlitz zu setzen, in das sich nach der Negativbilanz der Hinrunde schon tiefe Falten eingekerbt haben. Die Angst vor der Kritik, die alles schlecht mache und die Petric in einem Interview einmal monierte, um die mäßige Leistung zu erklären, ist da ein wenig lächerlich. Vor allem, wenn sich einige Fans schon überlegen, zu Hause zu bleiben, um die Spieler nicht unnötig zu verwirren, die vielleicht Probleme mit der Stadionatmosphäre haben könnten. Verwundern dürfte es die Spieler auch nicht, daß einige enttäuschte Fans mit einer Sitzblockade den Bus an der Abfahrt hinderten. Ein bißchen können sie ruhig abkriegen von dem Ärger, den sie ihren Anhängern bereiten. Kein schöner Saisonausklang also. Aber wenigstens ist auch Bayern von der Rolle, die in einem mäßigen Spiel gegen mäßige Herthaner über ein torloses Remis nicht hinauskamen. Und wie Bremen Leverkusen deklassierte, das war schon allererste Sahne. Vor allem, weil Ivan Klasnic nach zwei Nierantransplantationen und zwei Toren wieder zurück ist und eine Art Wiederauferstehung feierte. Punktgleich mit Bayern werden jetzt die Karten für die Rückrunde neu gemischt.Und alle dachten, Bayern wäre schon Meister. Daran hält unbeirrt nur noch Oliver Kahn fest.
Archiv für den Monat: Dezember 2007
Die Wahrheit über den 15. Bundesligaspieltag
Gegen die Zufälligkeiten und die Willkür des Fußballs versucht man oft eine Gesetzmäßigkeit zu entdecken. Ich mache da keine Ausnahme. Irgendwo in diesem Chaos muß es doch eine geheime wirkende Kraft geben, mit der sich das Durcheinander, das Auf und Ab und einer Mannschaft erklären läßt. Und natürlich bin ich fündig geworden, jedenfalls bei Dortmund, denn die Leistungsschwankungen beim BVB weisen ein besonderes Merkmal auf, das sich empirisch belegen läßt und das nach dem 2:1-Sieg der Schwarzgelben in Stuttgart wieder auffällig war. Niemand gab zunächst einen Pfifferling auf die Dortmunder, die schon seit 6 Spielen nicht mehr gewonnen, während die Stuttgarter genauso viel Spiele nicht mehr verloren hatten und sich eindeutig im Aufwind befanden. Vor allem nach dem desaströsen Auftreten der Dortmunder in Nürnberg schien jeder die Saison bereits innerlich abgehakt zu haben. Auf der Jahreshauptversammlung des Vereins wurden die Spieler mit Pfiffen empfangen und Watzkes Rede wurde nach Hinweisen abgesucht, ob Doll oder Zorc in der Winterpause fliegen würden. Auf einer Pressekonferenz machte Doll einen ziemlich ratlosen und deprimierten Eindruck. Aber dann spielten die Schwarzgelben von der ersten Minute an einen Tempofußball, den ihr niemand zugetraut hätte, von dem man bislang nicht mal wußte, daß sie ihn spielen konnte. Gut, Degen war schon mal nicht dabei und der Notnagel Kruska saß auf der Bank. Kehl kommt nach eineinhalb Jahren, nachdem ihn ein Bosnier aus München kaputtgetreten hatte, langsam wieder in Form, und auch Federico scheint wieder aufzuleben. Das sind alles wesentliche Elemente, sieht man mal vom 5-Millionen-Flop Valdez ab, der wie immer seine Mühe zur Schau stellte, mit einem Ball umzugehen. Aber das ist eben nicht alles. Deutlich wurde trotz des gelungenen Comebacks aus der Krise ein Charakteristikum, das kein gutes Licht auf die Mannschaft wirft, denn gut gespielt haben die Dortmunder nur gegen Mannschaften, die sich berechtigte Hoffnungen auf einen der ersten fünf Plätze machen. Gegen Bayern sah man trotz torlosen Remis ein Klassespiel, gegen Bremen die beste Saisonleistung, gegen Leverkusen konnte man mithalten und jetzt holte man sogar drei Punkte beim aktuellen Meister, wo man sich selbst in besseren Zeiten schwer getan hatte. Gegen den Rest der Liga aber sah der BVB ziemlich scheiße aus. Offensichtlich leidet die Mannschaft unter einer völlig ungerechtfertigten Selbstüberschätzung, die Doll trotz aller zur Schau gestellten Demut nicht aus den Köpfen kriegt. Überdeutlich wurde das bereits beim Saisonauftakt zu Hause gegen Duisburg, als jeder schon vorher 100prozentig davon überzeugt war, daß der Drops gelutscht war. Hitzfeld hatte den BVB heimtückisch zum geheimen Mitfavoriten gekürt, wohl wissend, daß die Dortmunder damit nicht zurecht kämen. Und dieser Virus sitzt tief. Dieser Theorie zufolge wird Dortmund nächsten Freitag es gegen Bielefeld wieder mal vergeigen. Schließlich hat man es ja bewiesen, daß man Fußball spielen kann, aber ein gutes Spiel führt noch nicht aus dem Tabellenkeller.
Das wahre Wesen der Katzen
Ergründet von Rudi Hurzlmeier & Harry Rowohlt
Katzenbücher gibt es wie Sand am Meer, wenn nicht sogar noch häufiger, aber jetzt ist eins erschienen, das die Katze einmal in einem ganz anderen Licht bescheint. Nicht wieder eine dieser niedlichen Katzenfotoserien, welche das Herz jeder Omma höher schlagen und sie dahinschmelzen läßt, sondern Katzen, wie sie wirklich sind, wie sie bloß noch nie jemand gesehen hat. Nur einer, nämlich Rudi Hurzlmeier, der Größte auf dem Gebiet der komischen Malerei, hat das Auge für die äußerst delikaten Situationen, in denen sich Katzen manchmal befinden. Z.B. eingeklemmt im Schoße der nackten Lorelei mit Knollennase und ondulierten, strohblonden Haaren. Hat da schon mal jemand ein Foto davon gemacht? Eben! Oder hat schon mal jemand beobachtet, wie Katzen an der Reling stehen und bei hohem Wellengang ins Meer kotzen? Natürlich nicht. Weil noch nie jemand darauf geachtet hat. Aber Rudi Hurzlmeier hat den sechsten, wenn nicht sogar den siebten Sinn für solche Situationen.
Klaus Bittermann
Rudi Hurzlmeier »Miez Miez«, Mit Versen von Harry Rowohlt, Haffmans bei Zweitausendeins, Hamburg 2007, Euro 9.90
Diekmann, Kai
»Warum ist der ›Gutmensch‹ eigentlich ein Schimpfwort?«, fragte kürzlich Evelyn Finger in der Zeit und gab auch gleich eine Antwort. Die Häme würde bei Nietzsche anfangen, im Stürmer fortgesetzt, ein »Kampfbegriff ist er für die Neue Rechte, und salonfähig wurde er durch die 68er-Kritik im Stil von Klaus Bittermanns Wörterbuch des Gutmenschen«. Letztlich liefe die Kritik auf die »Verachtung« des Menschen hinaus. Soso, nicht schlecht. Mal eine ganz neue Erfahrung, in der direkten Tradition von Nietzsche und Julius Streicher zu stehen. Da war sogar Wolfgang Schäuble differenzierter. Der hatte das »Wörterbuch des Gutmenschen« wenigstens gelesen. Jedenfalls zitierte er so ausführlich daraus, dass sich eine Interpretation erübrigte, denn ein Argument muss in jedem Kontext Bestand haben, und den hatte es. Das war immerhin fair, anders als das insinuierte Geraune von Evelyn »Schlimmer« Finger, der es nur darum ging, das »Wörterbuch des Gutmenschen« unter Naziverdacht zu stellen.
Unter den Achseln ein Arier
Antoni Graf Sobanskis Alltagsbeobachtungen aus dem Nazideutschland
Je länger der Nationalsozialismus zurückliegt, desto mehr wird er in Deutschland bewältigt. So eifrig und gründlich die Identifikation mit dem Nationalsozialismus einst war, so eifrig und gründlich wird seine Aufarbeitung betrieben. Es wurden viele dicke Wälzer über ihn verfaßt und es gibt kaum einen Aspekt des Phänomens, der nicht bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet und dem nicht eine umfangreiche Studie gewidmet wurde. Nur einem Aspekt wurde nie allzugroße Aufmerksamkeit zuteil: der Lächerlichkeit Hitlers und seiner Anhänger, denn durch sie glaubte man, würden die Verbrechen in ihrer Bedeutung »relativiert«. Das jedenfalls war die in der Regel geäußerte Befürchtung, als Achim Greser in 44 Cartoons Hitler als kleines Würstchen darstellte, als Versager, Dilettanten und Kleinbürger. Über Hitler zu lachen wurde und wird immer noch als Frevel empfunden. Nur gut, daß sich Cartoons leicht ignorieren lassen.
Nun ist mit »Nachrichten aus Berlin 1933-1936« ein weiteres wichtiges Werk mit diesem Blick erschienen, das die Lektüre von zwei Kilo Fest ersetzen dürfte. Antoni Sobanski, einer »der aufgeklärtesten polnischen Aristokraten« und »ein Vorbild für Eleganz, Geschmack, distiguierte Umgangsformen und ähnliche Tugenden«, wie ihn Witold Gombrowski beschrieb, hatte 33, 34 und 36 Berlin und Nürnberg besucht und in mehreren Reportagen über seine Eindrücke vom Alltag der Deutschen berichtet. Gerade weil Sobanski kein Linker war und versucht, der »nationalsozialistischen Revolution« ohne Vorbehalte gegenüberzutreten, hat seine stilistisch brillante Aufdeckung der deutschen Mentalität großen Witz und gewährt einen tiefen Einblick in die deutsche Seele. Die vielen für sich vielleicht unbedeutenden Beobachtungen aus dem gesellschaftlichen Leben der Berliner ergeben dabei ein faszinierendes Kaleidoskop, das die Fremdheit, das Lächerliche und das Absurde sich in voller Pracht entfalten läßt.
1934 im Frühsommer: Nach der ersten Terrorwelle herrscht ein Klima der Angst. Überall sind Uniformen zu sehen, und zwar nicht nur die mit dem »häßlichsten aller Brauntöne«, sondern derartig viele verschiedene, daß man offensichtlich leicht den Überblick verlieren konnte. »Nur eine verschwindend kleine Anzahl junger Leute in Berlin gehört keiner Organisation an.« Ebenso verwirrend scheint die Vielfalt der diversen Abzeichen gewesen zu sein und es erforderte schon ein kleines Spezialstudium, um zu wissen, welches Abzeichen an welcher Uniform wo getragen werden durfte. Die Cafés der Bohème sind geöffnet, aber leer. In einem Lokal, dessen Bewirtschaftung »rein national« ist, erheben sich die Gäste oft »und trinken ihr Bier im Stehen, ein sehr kompliziertes Ritual. Es ist mir nicht gelungen, alle seine Geheimnisse aufzudecken.« Die Nazis versuchten, den Alltag der Deutschen bis ins kleinste zu reglementieren und ein »Nationales Amt für Mode« entwarf sogar »Vorschriften für Eintänzerinnen über die Tiefe ihres Ausschnitts«. Sobanski berichtet weiter über den Versuch, die Prostitution abzuschaffen mit dem Ergebnis, daß die Frauen drei Tage nach einer großen Razzia »wieder ihre alten Posten bezogen, etwas wund, aber mit nationalsozialistischem Abzeichen an der Brust.« Es ist die Zeit der zahlreichen Selbstmorde »aus unbekannten Gründen«. Und Sobanski fügt sarkastisch hinzu: »Ja doch, das muss eine Revolution sein.«
Sobanski war auch Zeuge der Bücherverbrennung, die in ihm, dem Bildungsbürger, zwar »große Traurigkeit« auslöste über ein »Volk, das diese Schande auf sich lud«, und darüber, »als gaffender Ausländer Zeuge dieser ›Familienschande‹ gewesen zu sein«, ihn aber nicht davon abhielt, die Veranstaltung als ziemlich mißlungene Inszenierung zu beschreiben, die nichts mit der späteren »hysterischen« Darstellung in der Presse zu tun hatte. Der Umzug war so unscheinbar, daß er nicht den kleinsten Menschenauflauf verursachte, und auch Straßen mußten deshalb nicht gesperrt werden. Die Menge auf den Platz begrüßte den Umzug nicht, »das Interesse auf den Gesichtern fiel in die Kategorie mittelmäßig«. Dann sprach Goebbels. »Keine Redeparodie könnte diesen demagogischen Ton wiedergeben. Bei mir ruft das Original schon Lachen hervor. Nach der kurzen Ansprache des Propagandaministers jubelten ihm nur die ihm am nächsten Stehenden zu, der Rest glotzte teilnahmslos.« Nach dem Ende des Zeremoniells ging die Menge schnell auseinander. Die Feuerwehr löschte das Feuer und Andenkenjäger wühlten in der Asche, um unter dem Motto »dem Feuer entrissen« die Trophäen auf »wahren Auktionen« zu verscherbeln. »Als kleiner Lichtblick in dieser traurigen Geschichte sei noch erwähnt, daß die Studenten auf den Lastwagen während des Umzugs eifrig nach pikanten Werken suchten und für sich zur Seite legten.« Sobanski wertet das als Zeichen, daß »die Jugend menschlich geblieben ist«, eine zwar gewagte These, die aber zeigt, daß er durchaus auch nach positiven Aspekten in den deprimierenden Ereignissen suchte.
Vollkommen abstoßend erscheint Sobanski hingegen der staatlich verordnete Antisemitismus, und auch wenn er ihm von seinen Landsleuten nicht unbekannt gewesen sein dürfte, so machte es doch einen Unterschied, ob eine offensichtlich schwachsinnige Ideologie ein Dasein im gesellschaftlichen Bodensatz fristete, wo er schlimm genug war, aber nicht die Schäden anrichten konnte wie der Antisemitismus, der zur offiziellen Staatsreligion aufgestiegen war. So beschreibt Sobanski, wie er in der Geschäftsstelle der Zeitung »Der Angriff« das Buch »Juden sehen Dich an« vom Sekretär des deutschen PEN-Clubs Johann von Leers durchblättert, das ihm von einem Bekannten empfohlen worden war: »Unwillkürlich steigt in mir nervöses Lachen auf. Die Straße vor dem Fenster, die Redaktion, in der ich sitze, der Herr hinter der Theke – all das spricht dafür, dass ich mich in der zivilisierten Welt befinde. Und dann dieses unglaubliche Dokument der Verwilderung!«, in dem sechs Gruppen unterschieden wurden: »Blutjuden, Lügenjuden, Betrugsjuden, Zersetzungsjuden, Kunstjuden und Geldjuden.«
Was bei jemanden wie Sobanski fassungsloses Staunen und Horror auslöst, wird von den Deutschen schweigend und achselzuckend, vielleicht auch peinlich berührt hingenommen, aber eben hingenommen. Das ist nicht weniger merkwürdig wie das geduldige Ertragen der bis zu einer Stunde dauernden Wochenschau vor Filmbeginn, in der »wilde, mit demagogischem Gebrüll vorgetragene Erklärungen« abgegeben wurden. »Albern sieht dabei nur der Führer selbst aus, obwohl nur er allein bei jedem Erscheinen auf der Leinwand tosenden Applaus hervorruft.«
1934 reist Sobanski wieder zurück nach Polen. Einer seiner Eindrücke: »Eine Höhle, eine Keule und ein behaarter Ehemann, der sich schützend vor seine Frau mit fliehender Stirn stellt – solche Bilder bekommt man vor Augen, wenn man in dieser Atmosphäre der Verherrlichung von Stammesdenken lebt.«
Ein drittes Mal reist Sobanski 1936 nach Nürnberg auf den Parteitag, der eine einzige riesige Masseninszenierung ist. Ein Highlight ist eine Pressekonferenz von Julius Streicher, der »selbst unter den Kollegen der Hitler-Elite als ehrlicher Psychopath gilt«, und allein die Beschreibung dieser absurden Veranstaltung verdient es, ausführlich zitiert zu werden, weil sie einen Eindruck von der Normalität des Irrsinns verschafft (die, wie man sehen wird, auch heute noch am Werke ist): »Nun betritt Streicher den Saal. Ein dicker, untersetzter Mann mit einer Hakennase und schmaler Stirn. Feierlich, aber rasch mit erhobenen Händchen, schreitet er durch den ganzen Saal. Anschließend werden wir ihm alle der Reihe nach vorgestellt. Die meisten verneigen sich tief – sie fühlen sich ausgesprochen geehrt. Nach dem Abschreiten ›unserer Front‹ stellt er sich hinter den Tisch und redet eine halbe Stunde. Er ist ein Fanatiker mit rabiater Diktion. Einen Journalisten (…) nennt er ›einen Schweinehund‹. (…) Er spricht wie ein Papst zu abreisenden Missionaren.« Auf der einen Seite betont Streicher, daß die Deutschen nicht die Absicht hätten, das Judentum in allen anderen Ländern zu bekämpfen, auf der anderen Seite betont Streicher, daß die Judenfrage nicht ohne Blutvergießen gelöst werden könne. »Ich schaue in den Saal: in der ersten Reihe ein fettleibiger, olivenfarbiger und abstoßender Italiener mit rabenschwarzem Haar, lüstern hervorquellenden Lippen und Hakennase. Ein hervorragendes Gesicht für die erste Seite des ›Stürmer‹. Jemanden, der weiter vom Ariertum entfernt ist, kann man sich schwer vorstellen. Aber für Streicher ist er ein Bruder.«
Trotz Masseninszenierung, Fahnenmeer, Lichtdom mit 150 Flakscheinwerfern, unendlichen Paraden und Reden, die die Macht und die Pracht des Systems ins rechte Licht rücken sollten, bleibt Sobanski skeptisch. Immerhin, so glaubt er, scheint das System keinen Krieg zu wollen und auch keinen zu erwarten. Kein Wunder, damals waren die Nazis ja auch noch nicht soweit. Drei Jahren später hatte sich das geändert. Aber entscheidend ist nicht die unzutreffende Voraussage von Sobanski, sondern daß er die richtige Frage gestellt hat: Warum haben sich bestimmte gesellschaftliche Gruppen und Parteien in Deutschland, die z.T. nicht mal von der Repression betroffen gewesen waren und fest im Sattel des Staatsapparats saßen, so »offenkundig feige« verhalten? Sobanski meint, weil »die Deutschen ihrer Natur nach schlicht unfähig sind, aus der Reihe zu tanzen.« Als Erklärung vielleicht etwas schlicht, aber ganz so einfach erschließt sich einem polyglotten Polen eben nicht, warum die Deutschen einem albernen Gnom wie Hitler hinterhergerannt sind.
Das Paradies schmecken
Nick Tosches auf der Suche nach der letzten Opiumhöhle
Nick Tosches ist ein seltener Glücksfall für die Literatur. Er hat nie an einer Universität studiert, er hat nicht bereits nach dem Schulabschluß gewichtige Lyrik verfaßt, d.h. er hat nichts getan, was den Geschmack an Literatur hätte verderben können, vielmehr wuchs er in einer Gegend auf, in der es, wie er schrieb, »keine Bücher, aber viele Buchmacher gab«. Außerdem ging er in seiner »herrlich vergeudeten Jugend« lieber ins Kino, um Mädchen kennenzulernen. Er wuchs als Sohn eines Barkeepers auf, verließ die Schule mit 14 und schlug sich als Kellner durch. Später arbeitete als Schlangenfänger in Miami, aber nachdem er von einer gebissen wurde, kehrte er nach New York zurück und begann dort eine erstaunliche Laufbahn als Journalist und Schriftsteller. Er hatte bereits eine Menge mitgemacht, bevor er seine eigentlich Profession entdeckte. Daß es sich bei ihm um die Prosa eines erfahrungsarmen Lebens handeln könnte, auf diesen Gedanken wird man bei Tosches nie kommen. Wenn er von jemanden beeinflußt wurde, dann vielleicht am ehesten von Hunter S. Thompson oder Lester Bangs und dem Gonzo-Stil, den die beiden auf ihre Weise pflegten und der immer etwas Rohes, Vehementes und Existentialistisches hatte, also eine Herausforderung für den Autor und den Leser bedeutete.Anders aber als seine Kollegen machte sich Tosches vor allem als großer Biograph einen Namen, man kann sogar sagen, er hat das Gewerbe des Biographieschreibens revolutioniert, denn niemals ist ein von ihm aufgeschriebenes Leben routiniert runtererzählt, sondern Tosches verfolgt jede scheinbar nebensächliche Spur, zieht überraschende Schlüsse und präsentiert das Leben der Porträtierten als großen Plot. Er hat die definitive Geschichte von Dean Martin geschrieben, die, weit entfernt davon nur eine Biographie zu sein, den gesamten Kosmos des Rat-Pack und der Mafia aufblättert. Er hat Sonny Liston noch einmal auferstehen lassen und er hat sich Jerry Lee Lewis angenommen, »das schönste Buch, das jemals über einen Rock‘n‘Roll-Musiker geschrieben wurde – nichts kommt ihm gleich«, wie Greil Marcus begeistert schrieb. Fasziniert vom Verbrechen, das ihm in seiner Jugend nicht fremd gewesen ist, schrieb er auch den großen Roman über den Paten.
Der Una-Bomber der amerikanischen Literatur
Hunter S. Thompson irrt durch das »Königreich der Angst«
Dieses Buch wurde nachts verfaßt, wenn die Besucher und Nachbarn, die gekommen waren, um sich irgendwelche Baseball- oder Basketballspiele im Fernsehen anzusehen und Wetten abzuschließen, wieder nach Hause gewankt waren. Dann saß Hunter S. Thompson »vor dieser gottverdammten Schreibmaschine, ein leeres Glas neben mir, eine nicht angezündete Zigarette zwischen den Lippen und auf dem Fernsehschirm eine nackte Frau, die ‚Porgy & Bess‘ singt.« Hunter S. Thompson zimmerte fleißig an diesem Mythos des verrückten Außenseiters, der immer noch weiter machte, wenn schon alle die Waffen gestreckt hatten. Und warum auch nicht? Abgesehen von kleineren und größeren Ausmalungen stimmte es ja auch. Sein Leben hatte nur entfernte Ähnlichkeiten mit dem Leben, das ein Schriftsteller für gewöhnlich führt, jedenfalls Schriftsteller, die auf ihre Buchproduktion genauso achten wie auf ihre Gesundheit und deren Literatur die Ausstrahlung von Birkenstockschuhen besitzt.
Und von diesem ungewöhnlichen Leben legte Hunter S.Thompson zuletzt 2003, zwei Jahre vor seinem spektakulären Selbstmord, mit »Kingdom of Fear« noch einmal Zeugnis ab, das jetzt unter dem Titel »Königreich der Angst« auf deutsch erschienen ist. Und auch in diesem Buch erweist sich der »Una-Bomber der amerikanischen Literatur«, wie ihn Time einmal bezeichnet hat, als großer Erzähler und hervorragender Stilist, der Witz und Charme hat, aber auch grob werden kann, wenn er es für angemessen hält.
Hunter S. Thompson schreibt über sein Leben als jugendlicher Straftäter: »Ich war Billy the Kid aus Louisville. Ich war ›kriminell‹: Ich stahl, zerstörte mutwillig, trank. Mehr muß man als Krimineller ja auch nicht tun.« Er macht sich über den nationalen Nervenzusammenbruch lustig, der in Amerika nach dem 11. September einsetzte, über die staatlich verordnete Hysterie, alles zu überwachen, zu kontrollieren und am besten gleich wegzusperren, bevor »dunkelhäutige Terroristen« das »ganze gottverdammte Land in Schutt und Asche legen«. Dazwischen eingestreut tauchen Zeitungsartikel, Kommentare, Briefe und detaillierte Gedächtnisprotokolle über einen Fall auf, in dem Hunter S. Thompson die Hauptrolle spielte und an deren Zurechtrückung ihm viel lag, denn zum ersten Mal rückte ihm ein obsessiver Staatsanwalt bedrohlich nah auf die Pelle und will ihn wegen einiger Krümel Drogen ein paar Jahre hinter Gitter schicken.
Die lustigste Geschichte in diesem Episoden-Buch heißt »Hiiiiiiiiiier ist Johnny! Angst und Schrecken vor Jacks Haus…« und handelt von einem Geburtstagsbesuch, den Hunter S. Thompson Jack Nicholson abstattet und der zu einem totalen Fiasko gerät, weil Thompson es für eine gute Idee hält, irgendwann gegen drei Uhr in der Nacht das einsam in einer Schlucht gelegene Haus von Nicholson mit der Tonbandaufnahme vom Todeskampf eines Schweins zu beschallen, das lebendig von einem Bären gefressen wird, und einen Suchscheinwerfer mit einer Million Watt auf das Anwesen zu richten, außerdem ein bißchen mit einer Neun-Millimeter-Pistole von Smith & Wesson herumzuballern und ein blutiges Wapitiherz an die Tür zu lehnen. Da sich Jack Nicholson bei diesem Frontalangriff verständlicherweise verbarrikadiert und das Licht löscht, fährt Thompson auf seine Owl-Farm zurück, um am nächsten Morgen zu erfahren, daß die gesamte Polizei des County auf der Suche nach einem Durchgeknallten ist, der Jack Nicholson und seine Familie abschlachten wollte. Genau wie in »Shining«.
Wer bei der Lektüre dieser Seiten keinen Lachkoller bekommt, hat von hochkomischer Literatur keine Ahnung. Klar, Reich-Ranicki würde mit diesem großartigen Buch nichts anfangen können.
Über die Verletzung religiöser Gefühle
Henryk M. Broders Aufklärungsbüchlein über den Islam
Henryk M. Broder ist einer der wenigen Provokateure de Luxe, die es in Deutschland noch gibt, und ich meine das als Auszeichnung, er ist einer der wenigen verbliebenen begnadeten Polemiker, die aus dem klassischen Antrieb der Aufklärung heraus schreiben, einer der wenigen scharfsinnigen Ideologiekritiker, die ihr Handwerk verstehen, nachdem Wolfgang Pohrt verstummt und Eike Geisel verstorben ist, Christian Schultz-Gerstein sich zu Tode gesoffen und Lothar Baier Selbstmord begangen hat. Broder ist dabei kein Provokateur um der Provokation willen. Er tut nichts weiter, als nachzuweisen, welche ungeheuren Dinge sich in Gesellschaft und Politik abspielen, und das wird ihm in der Regel übel genommen. In seinem neuen Buch „Hurrah, wir kapitulieren! Von der Lust am Einknicken“ beschreibt er, wie der islamistische Terror in den westlichen Gesellschaft auf großes Verständnis trifft und welche kuriosen Rechtfertigungen und Entschuldigungen sie hervorrufen.
Nichts außer ein paar Beduinenzelte
Alan Dershowitz stemmt sich heroisch gegen Vorurteile
Wenn es eine historische Gerechtigkeit gäbe, würde der Staat der Juden in Deutschland liegen. Am besten in Schleswig-Holstein, meint Henryk M. Broder, weil die Juden das Meer lieben und der kleine Bundesstaat ungefähr die Größe Israels hat. Harry Rowohlt hingegen meinte, als der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad sich mal wieder beschwerte, daß die Araber ausbaden müßten, was die Deutschen angestellt hatten, daß er gerne bereit wäre, den Juden Bayern zu geben. Wenn man dann noch die Neonazis dorthin abschieben könnte, die ja dann mal probieren könnten, Jagd auf Ausländer zu machen, wäre die Sache perfekt. Die Geschichte aber ist nicht gerecht. Sie ist, wie Marx betonte, eine Geschichte des Stärkeren und des Siegers, und das meinte er nicht ideologisch, sondern rein pragmatisch. Es gibt kein historisch ableitbares Recht auf ein Stück Land, weil es immer jemanden gibt, der schon vorher auf diesem Land gelebt und sich dieses Land gewaltsam angeeignet hat. Die Frage also, wer ein größeres Anrecht hat, in Palästina zu leben, ist falsch gestellt. Hannah Arendt, die sich mit Kritik an den zionistischen Führern, den Militanten und „Sprengstoff-Spießern“ nicht zurückhielt, plädierte dennoch für „das Recht des jüdischen Volkes auf Palästina“, und zwar nicht, weil dieses Recht aus der Vergangenheit abgeleitet werden könne, sondern weil es „mit dem Recht eines jeden Menschen auf die Früchte seiner Arbeit“ zusammenhänge. Die Araber hatten 1500 Jahre Zeit gehabt, „aus einer Steinwüste fruchtbares Land zu machen, die Juden noch nicht 40 Jahre, (…) der Unterschied ist sehr bemerkenswert.“
Es ist die Macht des Faktischen, mit dem sich die Palästinenser besser arrangieren sollten, als weiterhin darauf zu hoffen, mit der Politik des Terrors Israel von der Landkarte zu tilgen. Daß sich die Palästinenser immer noch dieser Illusion hingeben, hat viel mit dem Verständnis zu tun, das ihnen die Weltöffentlichkeit entgegenbringt, weil es die palästinensische Führung bislang ausgezeichnet verstanden hat, ihr Volk als von den Israelis unterdrückt und geknechtet zu verkaufen. Um diese Behauptung zu belegen, tauchen immer wieder die gleichen Argumente auf. Es ist das Verdienst von Alan M. Dershowitz, diese Argumente gesammelt und einer genauen Prüfung unterzogen zu haben. Dershowitz ist Professor an der Harvard Law School und ein bekannter Anwalt, der sich als profilierter Verteidiger von Bürgerrechten einen Namen gemacht hat. In seinem „Plädoyer für Israel“ weist er schlüssig und überzeugend nach, „warum die Anklagen gegen Israel aus Vorurteilen bestehen“.
Ein weiteres Vorurteil besteht in der Annahme, die Palästinsenser hätten mit dem Völkermord an den Juden nichts zu tun. Nicht nur erfreut man sich noch heute als Deutscher bei den Palästinensern großer Beliebtheit, weil man auf eine so glorreiche Vergangenheit unter Hitler zurückblicken kann, auch in der eigenen Geschichte hatte man in Hadsch Amin al-Husseini einen bei der Bevölkerung beliebten kleinen Hitler, der sich während der Kriegsjahre als „Berater für Judenfragen“ in Berlin aufhielt und für den Massenmord an den Juden große Sympathien hegte. Im O-Ton hört sich das so an: „Unsere Grundbedingung für die Zusammenarbeit mit Deutschland war freie Hand, auch den letzten Juden in Palästina und der arabischen Welt auszumerzen. Ich bat Hitler um eine ausdrückliche Garantie, die es uns erlaubt, das Judenproblem auf eine mit unserem nationalen und rassischen Streben konforme und entsprechend den von Deutschland eingeführten wissenschaftlichen Methoden im Umgang mit seinen Juden zu lösen. Ich bekam folgende Antwort: ‚Sie können die Juden haben.‘“ Husseini war genauso wenig wie Hitler ein durchgeknallter Irrer, der dieses Zeug sinnlos vor sich hinbrabbelte, sondern als Mufti von Jerusalem und weltlicher und religiöser Führer der Palästinenser ein von der eigenen Bevölkerung anerkannter durchgeknallter Irrer, und es ist gut, daran zu erinnern, daß die Mehrheit der Palästinenser durchaus bereit gewesen wäre, an der „Ausmerzung der Juden“ mitzuwirken, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen hätte.
Ein zentraler Punkt in Dershowitz’ Auseinandersetzung sind die Friedensverhandlungen im Sommer 2000 in Camp David, als Ehud Barak die Weltöffentlichkeit mit dem Angebot verblüffte, den Palästinensern fast alle Gebiete zurückzugeben, die sie haben wollten, einschließlich von ca. 95 % der Westbank und des gesamten Gazastreifens. Die viel zitierte Resolution 242 des Weltsicherheitsrates wäre erfüllt gewesen, die die Rückgabe von Gebieten (nicht aller Gebiete) forderte, die Israel im Krieg mit Jordanien besetzt hatte. Darüberhinaus machte Barak noch einige andere weitreichende Zugeständnisse, die sehr ungewöhnlich waren, denn noch nie hatte eine siegreiche Nation den Besiegten Friedensbedingungen angeboten, die normalerweise der Gewinner einer kriegerischen Auseinandersetzung für sich in Anspruch nimmt. Arafat jedoch lehnte ab, ohne selbst einen Vorschlag zu unterbreiten, so daß Clinton sich sogar hinreißen ließ, ihn als Lügner zu bezeichnen. Lieber nahm Arafat 3000 weitere Tote in Kauf, die die anschließende Terrorwelle schätzungsweise kostete. Dafür erhielt er dann den Friedensnobelpreis.
Hannah Arendt war aus der Perspektive von 1943 gegen die Gründung eines souveränen jüdischen Staates, weil sie davon ausging, daß das „einzige souveräne Recht (dieses Staates) darin bestünde, Selbstmord zu begehen“, und weil die Geschichte auf erdrückende Weise das staatliche Versagen bewiesen habe, den „Minderheiten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen“. Weitaus schlimmer jedoch dürfte es sein, als Palästinenser in einem eigenen souveränen Staat zu leben, denn seit die Linke ihre Liebe zum nationalen Befreiungskampf entdeckt hat weiß man auch, daß dort, wo er Erfolg hatte, die Bevölkerung unter der eigenen Regierung weit mehr zu leiden hatte als unter der vergleichsweisen komfortablen Herrschaft von Besatzern. Obwohl Israel also ein wirtschaftlicher Segen und ein demokratisches Vorbild für die Region im Nahen Osten ist, wird es in Deutschland mißtrauisch beäugt. Über 60 % der Deutschen sind der Meinung, Israel sei die größte Bedrohung für den Weltfrieden, und über 50 % sind überzeugt, Israel behandle die Palästinenser heute so, wie die Nazis die Juden behandelt haben. Dershowitz hat den heroischen Versuch unternommen, diese Vorurteile zu entkräften, aber wie so viele vor ihm, wird auch sein Aufklärungsversuch scheitern, denn das Wesen des Ressentiments besteht darin, durch gute und schlüssige Argumente sich zu allerletzt erschüttern zu lassen.
Alan Dershowitz, „Plädoyer für Israel“, mit einem Vorwort von Henryk M. Broder, Europa Verlag, 416 Seiten, ??.- Euro
Der heroische Verlierer
Adrian Mole versucht auch mit 34 ¾ unbeirrt, dem Chaos zu entkommen
Der neue Adrian Mole ist da. Adrian Mole ist eine Romanfigur, die in England Karriere gemacht hat, ja sogar zur nationalen Kultfigur aufgestiegen ist, weil sie auf liebenswerte Weise verschroben und linkisch und völlig untauglich für die Anforderungen des modernen Lebens ist, auf der anderen Seite jedoch alle möglichen Anstrengungen unternimmt, ein wertvolles, aber auch berühmtes Mitglied der englischen Gesellschaft zu werden. Adrian Mole begann schon mit 13 ¾ Jahren ein bizarres Tagebuch zu führen, in dem er seine Leiden als Pubertierender mit großer unfreiwilliger Komik ausgebreitet hat. Die Kunst, die Komik so aussehen zu lassen als sei sie unfreiwillig, beherrscht Sue Townsend perfekt. Sie hat Adrian Mole erschaffen und wird seither als jemand gefeiert, der neue Maßstäbe in der komischen Literatur gesetzt hat. Sie hat ein feines Gespür dafür, wie ein Jugendlicher tickt, der sich in einer kruden Mischung aus Überangepaßtheit und Opposition gegenüber seinen Eltern selber im Weg steht und mitten im alltäglichen Chaos von der großen Liebe und der großen Schriftstellerkarriere träumt. Mit 30 ¾ Jahren griff der berühmteste Tagebuchschreiber Englands 1997 „wieder zur Feder“ und zeichnete in „Die Cappuccino Jahre“ seine Abenteuer als Starkoch in einem Nobel-Restaurant auf, in dem seine Tätigkeit vor allem darin bestand, Innereien aufzutauen.